Freitag, 3. September 2004
1. September 1939
beniguma, 20:44h
Nach der Bombardierung des baskischen Städtchens Guernica 1937 notierte er (Generalmajor Wolfram Freiherr von Richthofen, „Fliegerführer zur besonderen Verfügung“, b.) in sein Kriegstagebuch: „Guernica, Stadt von 5000 Einwohnern buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht, Bombenlöcher auf Straßen noch zu sehen, einfach toll.“
Nun sieht Richthofen die Chance sein Zerstörungswerk fortzusetzen. Der Fliegerführer bestellt die Kommandanten seines Stuka-Geschwaders 76 und des Geschwaders 2 Immelmann zum Befehlsempfang ein. Als Angriffsziel nennt er ihnen den Namen eine polnischen Städtchens, 100 Kilometer östlich von Breslau gelegen, nicht weit hinter der Grenze: Wielun.
Ziel ist es, den Ort zu vernichten. (…)
Wielun liegt im Abseits. In seiner 800jährigen Geschichte ist es nie zu besonderer Bedeutung gelangt, ein Marktflecken, der von der Landwirtschaft lebt. (…) 16000 Einwohner zählt das Städtchen, die meisten sind Bauern und kleine Kaufleute. Am 31. August 1939 hat es zwar einen Fliegeralarm gegeben, doch dann heißt es, das sei nur Probe gewesen, niemand müsse sich sorgen. Warum sollen die Deutschen auch Wielun angreifen? Hier gibt es keinen wichtigen Eisenbahnknotenpunkt und, bis auf die kleine Zuckerfabrik am Rande der Stadt, auch keine Industrie. Das Militär ist längst abgezogen; ein Kavallerie-Regiment wurde bereits im Frühsommer zur Grenzsicherung an die Warthe verlegt. Die Stadt ist unbefestigt, wehrlos, ohne Flak und ohne Bunker.
Auf dem Militärflughafen von Nieder-Ellguth am Steinberg östlich von Oppeln bereitet man indes den Einsatz vor. Zwar behindert in der Nacht leichter Bodennebel die Sicht, doch für Hauptmann Walter Sigel ist das kein Grund, sich lange aufhalten zu lassen. Er hat als erster den Einsatzbefehl erhalten. (…)
Der Flug dauert kaum 20 Minuten. Der Kampfauftrag lautet: Vernichtung des westlichen Teils von Wielun. Gegen 4.35 Uhr stürzen sich Sigels Stukas mit dem infernalischen Sirenengeheul der so genannten Jericho-Trompeten auf die schlafende Stadt. Die ersten Bomben fallen um 4.40 Uhr. Insgesamt werfen Sigels Flugzeuge bei diesem Einsatz 29 500-Kilo-Bomben und 112 50-Kilo-Bomben ab. „Ziel vernichtet, Brände beobachtet“, vermerkt der Hauptmann in seinem Einsatzbericht, nachdem er ohne Verluste kurz nach 5 Uhr wieder (…) in Nieder-Ellguth gelandet ist. Und unter der Rubrik "Feststellung und Beobachtung der Lage am Ziel, auf An- und Rückmarsch" notiert er: „Keine besondere Feindbeobachtung.“
Der Bombenhagel bringt Tod und Zerstörung. Die ersten Bomben haben das Allerheiligen-Hospital getroffen, obwohl das Krankenhaus auf dem Dach mit einem roten Kreuz gekennzeichnet ist. „Ich war sehr früh zu Bett gegangen und bin dann sehr früh am anderen morgen vom Dröhnen der Flugzeuge wach geworden“, berichtet der Arzt Zygmunt Patryn. „Plötzlich gab es eine Explosion auf dem Krankenhausgelände. Fensterscheiben klirrten und fielen auf mein Bett. Ich sprang auf, griff meine Kleidung und rannte ins Freie. In diesem Moment stürzte das Haus hinter mir zusammen. Überall lagen Trümmer, und unter den Trümmern hörten wir Stöhnen. Dreimal bombardierten die Flugzeuge das Krankenhaus. Eine Bombe riss im Garten einen gewaltigen Krater, das ein halbes Haus hinein gepasst hätte. Zwei Ordensschwestern, 4 Krankenschwestern und 26 Patienten sind bei dem Angriff getötet worden.“
Kurz darauf greift die Luftwaffe zum zweiten Mal an, diesmal soll der östliche Teil der Stadt zerstört werden. Der dritte und letzte Einsatz (…) wird von Major Oskar Dinort vom Stuka-Geschwader Immelmann befehligt. Aus über 2000 Meter Höhe stürzt sich die gesamte Staffel auf das Ziel. Erst nachdem sie auf 800 Meter gefallen sind, lösen sie die Bomben aus. Die schwerste wirft Dinort selbst. „Direkt auf den Marktplatz!“, jubelt er später in einer NS-Publikation mit dem Titel „Die Höllenvögel“.
Die Menschen in Wielun können noch gar nicht begreifen, was mit ihnen geschieht. Der Mechaniker Jozef Musial ist acht Jahre alt, als die Bomben fallen. Mit seiner Schwester hat er das Bombardement vom Stadtrand aus beobachtet: "Es waren große graue Flugzeuge mit schwarzen Kreuzen … Viele Menschen rannten aus der Stadt. Nach dem Angriff sind wir ins Zentrum gegangen, um zu sehen, was dort passiert ist. Es war sehr zerstört … Überall lagen Leichen und abgerissene Körperteile: Arme, Beine. Ein Kopf.“
Die grausame Bilanz: Insgesamt 380 Bomben mit einer Sprengkraft von zusammen 46000 Kilogramm, die in drei Angriffswellen von jeweils 29 Stukas des Typs JU 87 B abgeworfen wurden, töteten 1200 Menschen. Die Stadt ist zu 70 Prozent zerstört, der enge Stadtkern durch Brände sogar zu 90 Prozent.
Joachim Trenkner: Wielun, 1. September 1939: „Keine besondere Feindbeobachtung“, in Kettenacker, Lothar 2003: Ein Volk von Opfern? Die neue Debatte um den Bombenkrieg 1940-45, Berlin: Rowohlt
Nun sieht Richthofen die Chance sein Zerstörungswerk fortzusetzen. Der Fliegerführer bestellt die Kommandanten seines Stuka-Geschwaders 76 und des Geschwaders 2 Immelmann zum Befehlsempfang ein. Als Angriffsziel nennt er ihnen den Namen eine polnischen Städtchens, 100 Kilometer östlich von Breslau gelegen, nicht weit hinter der Grenze: Wielun.
Ziel ist es, den Ort zu vernichten. (…)
Wielun liegt im Abseits. In seiner 800jährigen Geschichte ist es nie zu besonderer Bedeutung gelangt, ein Marktflecken, der von der Landwirtschaft lebt. (…) 16000 Einwohner zählt das Städtchen, die meisten sind Bauern und kleine Kaufleute. Am 31. August 1939 hat es zwar einen Fliegeralarm gegeben, doch dann heißt es, das sei nur Probe gewesen, niemand müsse sich sorgen. Warum sollen die Deutschen auch Wielun angreifen? Hier gibt es keinen wichtigen Eisenbahnknotenpunkt und, bis auf die kleine Zuckerfabrik am Rande der Stadt, auch keine Industrie. Das Militär ist längst abgezogen; ein Kavallerie-Regiment wurde bereits im Frühsommer zur Grenzsicherung an die Warthe verlegt. Die Stadt ist unbefestigt, wehrlos, ohne Flak und ohne Bunker.
Auf dem Militärflughafen von Nieder-Ellguth am Steinberg östlich von Oppeln bereitet man indes den Einsatz vor. Zwar behindert in der Nacht leichter Bodennebel die Sicht, doch für Hauptmann Walter Sigel ist das kein Grund, sich lange aufhalten zu lassen. Er hat als erster den Einsatzbefehl erhalten. (…)
Der Flug dauert kaum 20 Minuten. Der Kampfauftrag lautet: Vernichtung des westlichen Teils von Wielun. Gegen 4.35 Uhr stürzen sich Sigels Stukas mit dem infernalischen Sirenengeheul der so genannten Jericho-Trompeten auf die schlafende Stadt. Die ersten Bomben fallen um 4.40 Uhr. Insgesamt werfen Sigels Flugzeuge bei diesem Einsatz 29 500-Kilo-Bomben und 112 50-Kilo-Bomben ab. „Ziel vernichtet, Brände beobachtet“, vermerkt der Hauptmann in seinem Einsatzbericht, nachdem er ohne Verluste kurz nach 5 Uhr wieder (…) in Nieder-Ellguth gelandet ist. Und unter der Rubrik "Feststellung und Beobachtung der Lage am Ziel, auf An- und Rückmarsch" notiert er: „Keine besondere Feindbeobachtung.“
Der Bombenhagel bringt Tod und Zerstörung. Die ersten Bomben haben das Allerheiligen-Hospital getroffen, obwohl das Krankenhaus auf dem Dach mit einem roten Kreuz gekennzeichnet ist. „Ich war sehr früh zu Bett gegangen und bin dann sehr früh am anderen morgen vom Dröhnen der Flugzeuge wach geworden“, berichtet der Arzt Zygmunt Patryn. „Plötzlich gab es eine Explosion auf dem Krankenhausgelände. Fensterscheiben klirrten und fielen auf mein Bett. Ich sprang auf, griff meine Kleidung und rannte ins Freie. In diesem Moment stürzte das Haus hinter mir zusammen. Überall lagen Trümmer, und unter den Trümmern hörten wir Stöhnen. Dreimal bombardierten die Flugzeuge das Krankenhaus. Eine Bombe riss im Garten einen gewaltigen Krater, das ein halbes Haus hinein gepasst hätte. Zwei Ordensschwestern, 4 Krankenschwestern und 26 Patienten sind bei dem Angriff getötet worden.“
Kurz darauf greift die Luftwaffe zum zweiten Mal an, diesmal soll der östliche Teil der Stadt zerstört werden. Der dritte und letzte Einsatz (…) wird von Major Oskar Dinort vom Stuka-Geschwader Immelmann befehligt. Aus über 2000 Meter Höhe stürzt sich die gesamte Staffel auf das Ziel. Erst nachdem sie auf 800 Meter gefallen sind, lösen sie die Bomben aus. Die schwerste wirft Dinort selbst. „Direkt auf den Marktplatz!“, jubelt er später in einer NS-Publikation mit dem Titel „Die Höllenvögel“.
Die Menschen in Wielun können noch gar nicht begreifen, was mit ihnen geschieht. Der Mechaniker Jozef Musial ist acht Jahre alt, als die Bomben fallen. Mit seiner Schwester hat er das Bombardement vom Stadtrand aus beobachtet: "Es waren große graue Flugzeuge mit schwarzen Kreuzen … Viele Menschen rannten aus der Stadt. Nach dem Angriff sind wir ins Zentrum gegangen, um zu sehen, was dort passiert ist. Es war sehr zerstört … Überall lagen Leichen und abgerissene Körperteile: Arme, Beine. Ein Kopf.“
Die grausame Bilanz: Insgesamt 380 Bomben mit einer Sprengkraft von zusammen 46000 Kilogramm, die in drei Angriffswellen von jeweils 29 Stukas des Typs JU 87 B abgeworfen wurden, töteten 1200 Menschen. Die Stadt ist zu 70 Prozent zerstört, der enge Stadtkern durch Brände sogar zu 90 Prozent.
Joachim Trenkner: Wielun, 1. September 1939: „Keine besondere Feindbeobachtung“, in Kettenacker, Lothar 2003: Ein Volk von Opfern? Die neue Debatte um den Bombenkrieg 1940-45, Berlin: Rowohlt
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beniguma,
Freitag, 3. September 2004, 20:55
waitress wies (mit rekurs auf die fluchschrift) darauf hin, dass keines der "antideutschen weblogs" den ersten september als jahrestag des überfalls der deutschen auf polen und damit den jahrestag des beginns des deutschen vernichtungsfeldzuges wahrgenommen habe. dies sei hiermit nachgeholt.
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