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Dienstag, 12. Oktober 2004
Karl May für Linksliberale.
Der kritische Dialog ist etwas anderes als der Dialog der Kulturen. Deutsche Außenpolitik war selten reine Interessenpolitik, aber sie ist es eben auch. Das Schnöde der Interessenverfolgung schwingt beim Begriff des „kritischen Dialoges“, wie er in der Iran-Politik des Auswärtigen Amtes unter Kinkel zum ersten Mal offensiv verwendet wurde, immer mit. Das macht diesen Begriff ziemlich untauglich für eine Organisation wie den Börsenverein des deutschen Buchhandels. Wenn dieser Interessenverband zur Verfolgung seines Interesses, des Verkaufs von Druckerzeugnissen, eine riesige Veranstaltung zur Anbahnung von Geschäften, zur Werbung und Kundenakquise organisiert, dann darf nach außen hin eben dieses Interesse nicht im Vordergrund stehen, dann muss “Höheres und Wichtigeres (…) im Mittelpunkt stehen“.
Und so ist es nicht der kritische Dialog, sondern der „Dialog der Kulturen“, der Thema der diesjährigen Buchmesse war. Und wenn von „anderen Kulturen“, mit denen „der Westen“ einen Dialog zu führen habe, die Rede ist, dann geht es heutzutage immer um „den Islam“ (dessen Heterogenität im Nachsatz immer besonders betont wird) oder eben um „die Arabische Welt“. Seit dem 11. September 2001 überschlägt sich die deutsche Zivilgesellschaft in Bekundungen, „jetzt erst recht“ den „Dialog suchen“ zu wollen. Unbedingt müsse man der angeblich aufkeimenden „Islamophobie“ entgegentreten, obwohl doch nirgends eine besondere Veränderung der Qualität des widerwärtigen deutschen Rassismus festzustellen ist, der sich seit vielleicht schon 25 Jahren auch gegen „Moscheen in der Nachbarschaft“ und Kopftücher wendet.
Was für das Auswärtige Amt der kritische Dialog, das ist für den Börsenverein also der „Dialog der Kulturen“. Das „Höhere und Wichtigere“ der Buchmesse materialisiert sich in der Wahl eines Gastlandes, das sich in einem besonderen Forum präsentieren darf, und das im Rahmen der Messe besonders viel mediale Beachtung bekommt. Das Auswärtige Amt aber hat es einfacher als die OrganisatorInnen der Buchmesse. Einen kritischen Dialog kann man auch mit einzelnen Regimes führen, man bleibt ja immer „kritisch“. Wie aber den „Dialog der Kulturen“ auf der Buchmesse führen? Kann man z.B. Syrien als Gastland benennen? Kann man dem ba’athistischen Regime Bashar al-Assads ein exklusives Forum bieten? Nein, sicher nicht. Keiner der arabischen Staaten allein hätte als Gastland fungieren können. Es bot sich also nur eine Alternative: die „Arabische Liga“. Verschämt aber nannte man den Gast nur beiläufig beim Namen und wählte stattdessen den Titel: “Ehrengast Arabische Welt“. Denn auch die OrganisatorInnen der Messe wissen natürlich, dass die Arabische Liga nichts anderes ist, als der exklusive Debattierclub aller arabischen Diktatoren und Despoten (mit Ausmahme Muammar al-Gaddafis) und der Vertreter islamistischer Regimes (etwa des Sudans).
Allerorten, in der Presse und im Fernsehen, auf den verschiedenen Diskussionsrunden zum Thema „Arabische Welt“ und im IC nach Frankfurt, war während der Buchmesse das zivilgesellschaftlich-kulturalistische Credo zu hören: Im „Dialog der Kulturen“ gehe es darum, die „Vielfalt der Kulturen“ wahrzunehmen und zu wahren, „andere Kulturen zu verstehen“. Was das sein soll, Kultur, und ob es nicht vielmehr darum gehen sollte, die Vielfalt der Individuen, die individuelle Freiheit, wahrzunehmen und zu wahren, die in den arabischen Staaten so eingeschränkt ist, wie nur an wenigen anderen Orten der Welt, darüber wurde nicht geredet.
So präsentierte sich in Frankfurt die Einfalt des Kulturalismus: Die „Arabische Welt“ und ihre „Kultur“ als unhintergehbare Bestimmung eines jeden Individuums aus diesem „Kulturkreis“ und das Verständnis für dessen „Andersartigkeit“. Karl May für Linksliberale.
Zwar wurde auch den arabischen SchriftstellerInnen, die als einzige frei schreiben können, den ExilantInnen, ein wenig Platz in den Medien eingeräumt. So durfte Rafik Schami, der vor 30 Jahren als Kommunist vor den syrischen Ba’athisten nach Deutschland fliehen musste, kurz mitteilen, dass es ihm keineswegs behagt, als Feigenblatt auf einer Autorenliste der Arabischen Liga zu stehen. Wenn aber Kritik aufkam, die benannte, was das deutsche Verständnis der „Andersartigkeit“ der arabischen „Kultur“ mit einschließt - nämlich das Verständnis für Antisemitismus, Antiamerikanismus und Terror - dann wurde diese Kritik totgeschwiegen oder für irrelevant erklärt. Dass es gerade der Hass auf Israel, auf die USA und die Juden ist, der den Kitt bildet, der die Arabische Liga zusammenhält, erwähnte nur eine kleine Gruppe von jüdischen und nichtjüdischen Organisationen und Einzelpersonen.

Einen Überblick über die vielen Skandale, die nur von wenigen (deutschen) Medien als solche wahrgenommen wurden und über die Erlebnisse der wenigen Protestierenden vor den Toren der Buchmesse gibt Honestly Concerned.
Hier sei nur auf den größten Skandal hingewiesen:
Gerhard Schröder eröffnete die Buchmesse mit dem bekennenden Holocaust-Leugner Mohammad Salmawy, dem Herausgeber der französischsprachigen staatseigenen ägyptischen Zeitung Al Ahram Hebdo.

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