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Sonntag, 11. Juli 2004
Alltag.
An der Bushaltestelle des Einkaufszentrums auf der grünen Wiese. Ein Bus kommt. Nicht meine Linie. Wie üblich stehen die Einsteigenden den Aussteigenden im Weg. Heraus kommt ein vielleicht 40jähriger Deutscher, hässlich, Typ: Proll. Vor ihm läuft eine ältere Frau, die offensichtlich zu ihm gehört. Hinter ihm eine etwas jüngere - seine Ehefrau? In den Händen hält er jeweils einen leeren Bierkasten. Weil die EInsteigewilligen nicht patzmachen, muss er sich mühsam den Weg durch die Menge bahnen. Unter ihnen nimmt der Deutsche drei jüngere Männer wahr (man merkt ihm diesen Vorgang wirklich an), die er offenbar als nichtdeutsch ausmacht. Das Unvermeidliche passiert: "Macht doch mal Platz. Es ist echt immer das selbe mit euch Brüdern. Scheiss Kanaken!"
Ich reagiere ohne großes Nachdenken und sage ihm, er solle sein Maul halten und nicht so eine rassistische Scheisse von sich geben. Sein Begreifen nimmt etwas Zeit in Anspruch: "Was willst Du denn überhaupt?"
Ich will, dass er aufhört, solche Sprüche zu machen und wiederhole mein erstes Statement. Er: "Was geht'n Dich das an?" Mir fällt nichts Klügeres ein, als nur leicht varriiert mein Sprüchlein vom Anfang aufzusagen: "Halt einfach Dein Maul, Rassist!"
Er stellt die Kästen ab. Von der Seite kommen dumme Kommentare von der älteren Frau (irgendwas wie "was issen das für einer?"). Er baut sich mir gegenüber auf und fragt: "Willste Stress?"
Bevor ich mein Sprüchlein sagen kann ("Nein, ich will...") fragt er: "Willste Dich denen anschließen?"
Mit "denen" sind wahrscheinlich die drei Beschimpften, die mittlerweile im Bus sitzen, gemeint, oder ganz allgemein "Kanaken", das lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen. Mittlerweile ist der Rassist in eine Kampfstellung, oder was er dafür hält, gegangen. Gleichzeitig scheinen sich aber auch Zweifel in seinem Kopf zu mehren. Er scheint abzuwägen, was ihm passieren kann. Er ist einen Kopf kleiner als ich. Das Risiko scheint ihm zu groß zu sein. Andererseits steht ihm seine Männlichkeit im Weg, weswegen er auch nicht einfach gehen kann.
Ich bin erstaunlich ruhig, wahrscheinlich weil der Rassist trotz seiner Aggression nicht richtig bedrohlich wirkt. Er schaut fast schon hilfesuchend über meine rechte Schulter, gleichzeitig versucht er weiter seinen Kampfesmut zur Schau zu stellen. Von rechts taucht plötzlich die jüngere Frau auf, die sich bis dahin erstaunlich ruhig verhalten hatte. "Kommt, geht auseinander!" sagt sie. Ich fühle mich nicht wirklich angesprochen, denn eigentlich waren der Rassist und ich nicht wirklich beieinander - wir standen uns lediglich gegenüber. Sowieso war eher der Rassist gemeint, den die Frau jetzt packt und wegzieht: "Komm, lassen in Ruh, der isses doch nicht wert!"
Männliche Ehre gerettet. Der Rassist nimmt seine Bierkästen. Die drei verziehen sich in Richtung Einkaufszentrum.

Was mich an dieser Episode am meisten irritiert ist die Formulierung: "Willst Du Dich denen anschließen?"
Das größte Problem schien ihm garnicht mein gegen ihn gerichteter verbaler Angriff gewesen zu sein, sondern die für ihn offensichtlich nur schwer vorstellbare Tatsache, dass sich ein Deutscher mit "den Kanaken" gemein macht.

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