Freitag, 9. Juli 2004
" ...unter größter Eilbedürftigkeit mit geringen personellen und sachlichen Mitteln..."
beniguma, 18:52h
Wie sich deutsche Richter in die Nöte ihrer Väter und Großväter einfühlen.
Kontraste von gestern:
Dr. Efraim Zuroff, Simon-Wiesenthal-Zentrum:
"Wir haben wirklich wenig Zeit, um die letzten Nazi-Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen, wegen des Alters, der Gebrechlichkeit. Das ist wirklich die letzte Möglichkeit diese schrecklichen Verbrecher vor Gericht zu bringen."
Doch selbst wenn Zuroff die Männer ausfindig machen kann, ist fraglich, ob sie in Deutschland noch verurteilt werden können.
Hier, in Leipzig, hat der Bundesgerichtshof die Verurteilung von Nazi-Kriegsverbechern vor zwei Wochen fast unmöglich gemacht.
Der fünfte Strafsenat hob nämlich das Urteil gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Friedrich Engel auf.
Der sogenannte "Todesengel von Genua" wurde vom Hamburger Landgericht wegen der grausamen Ermordung von 59 italienischen Zivilisten zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Der Bundesgerichtshof hob jetzt dieses Urteil auf. Begründung:
Prof. Wolfgang Krüger, Bundesgerichtshof:
"Weil es an den subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit gefehlt hat."
Engel, so der Bundesgerichthof, sei kein Mörder, weil ihm keine grausamen Absichten nachgewiesen werden konnten. 1944 war Engel SS- und Polizeichef im besetzten Genua.
Hier in der Nähe von Genua wurden auf seinen Befehl die 59 Zivilisten erschossen - als Vergeltung für den Anschlag auf ein deutsches Soldatenkino.
Der italienische Militärstaatsanwalt Rivello hat Engel dafür bereits 1999 den Prozeß gemacht. Und zwar nicht wegen der Erschiessung, sondern wegen der besonderen Grausamkeit der Tat.
Pier Paolo Rivello, Militärstaatsanwalt (Archiv):
"Die Opfer kamen in kleinen Gruppen zum Erschiessungsort. Dort mußten sie auf einem Balken über einen Graben steigen, den jüdische Häftlinge ausgehoben hatten. In dem Graben sahen sie die bereits erschossenen Personen. Doch damit der Grausamkeiten nicht genug. Eine Gruppe von Offizieren aß und trank fröhlich mit Blick auf die Erschiessungen."
Doch allein die Grausamkeit der Tat reichte dem Bundesgerichtshof für die Verurteilung wegen Mordes nicht aus. Es sei durchaus nicht bewiesen, dass der Täter Engel den Ablauf der Erschiessungen mit grausamer Absicht geplant habe.
Prof. Wolfgang Krüger, Bundesgerichtshof:
"Der Bundesgerichtshof hat dem entgegen gehalten, dass die Sache unter größter Eilbedürftigkeit mit geringen personellen und sachlichen Mitteln durchgeführt werden mußte, und dass auch vermieden werden mußte, jedenfalls aus der Sicht desjenigen, der das durchzuführen hatte, dass diese Erschießungen in der Stadt Aufsehen erregten und möglicherweise zu Demonstrationen oder zu Aufruhr geführt hätten."
Eine Argumentation, die der Berliner Strafrechtler Felix Herzog empörend findet.
Prof. Felix Herzog, Strafrechtler, Humboldt-Universität:
"Dieses Argument hat mich auch sehr erschreckt. Das Argument lautet ja, es mußte schnell geschehen, es mußte heimlich geschehen, und es gab am Tatort Personalmangel. Wenn sie wollen, können eine ganze Reihe von Massenvernichtungsaktionen des NS-Regimes unter solchen Gesichtspunkten dann als möglicherweise subjektiv nicht grausam angesehen werden, weil halt die Betreffenden unter entsprechend, ich sage das mal so, das hört sich furchtbar an, schwierigen Rahmenbedingungen handeln mußten."
Egal, wie grausam die Erschiessungen waren, die Täter können ungestraft davonkommen.
Prof. Felix Herzog, Strafrechtler, Humboldt-Universität:
"Wenn man diese Linie weiter verfolgt, kommt man wirklich zu unmöglichen Ergebnissen. Man kommt hin bis hin zu dem Ergebnis, dass bestimmte Massenvernichtungsaktionen gegenüber den Juden möglicherweise keine subjektiv grausamen Taten gewesen sind, weil einfach die Betroffenen situativ gar nicht anders vorgehen konnten."
Dr. Efraim Zuroff, Simon-Wiesenthal-Zentrum:
"Es ist wirklich fraglich, ob es in Deutschland jetzt noch möglich ist, Nazi-Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen. Denn wenn die Ermordung von 59 Zivilisten kein Zeichen von Grausamkeit ist, dann weiß ich nicht, was sonst ein Zeichen für Grausamkeit sein soll."
Kontraste von gestern:
Dr. Efraim Zuroff, Simon-Wiesenthal-Zentrum:
"Wir haben wirklich wenig Zeit, um die letzten Nazi-Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen, wegen des Alters, der Gebrechlichkeit. Das ist wirklich die letzte Möglichkeit diese schrecklichen Verbrecher vor Gericht zu bringen."
Doch selbst wenn Zuroff die Männer ausfindig machen kann, ist fraglich, ob sie in Deutschland noch verurteilt werden können.
Hier, in Leipzig, hat der Bundesgerichtshof die Verurteilung von Nazi-Kriegsverbechern vor zwei Wochen fast unmöglich gemacht.
Der fünfte Strafsenat hob nämlich das Urteil gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Friedrich Engel auf.
Der sogenannte "Todesengel von Genua" wurde vom Hamburger Landgericht wegen der grausamen Ermordung von 59 italienischen Zivilisten zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Der Bundesgerichtshof hob jetzt dieses Urteil auf. Begründung:
Prof. Wolfgang Krüger, Bundesgerichtshof:
"Weil es an den subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit gefehlt hat."
Engel, so der Bundesgerichthof, sei kein Mörder, weil ihm keine grausamen Absichten nachgewiesen werden konnten. 1944 war Engel SS- und Polizeichef im besetzten Genua.
Hier in der Nähe von Genua wurden auf seinen Befehl die 59 Zivilisten erschossen - als Vergeltung für den Anschlag auf ein deutsches Soldatenkino.
Der italienische Militärstaatsanwalt Rivello hat Engel dafür bereits 1999 den Prozeß gemacht. Und zwar nicht wegen der Erschiessung, sondern wegen der besonderen Grausamkeit der Tat.
Pier Paolo Rivello, Militärstaatsanwalt (Archiv):
"Die Opfer kamen in kleinen Gruppen zum Erschiessungsort. Dort mußten sie auf einem Balken über einen Graben steigen, den jüdische Häftlinge ausgehoben hatten. In dem Graben sahen sie die bereits erschossenen Personen. Doch damit der Grausamkeiten nicht genug. Eine Gruppe von Offizieren aß und trank fröhlich mit Blick auf die Erschiessungen."
Doch allein die Grausamkeit der Tat reichte dem Bundesgerichtshof für die Verurteilung wegen Mordes nicht aus. Es sei durchaus nicht bewiesen, dass der Täter Engel den Ablauf der Erschiessungen mit grausamer Absicht geplant habe.
Prof. Wolfgang Krüger, Bundesgerichtshof:
"Der Bundesgerichtshof hat dem entgegen gehalten, dass die Sache unter größter Eilbedürftigkeit mit geringen personellen und sachlichen Mitteln durchgeführt werden mußte, und dass auch vermieden werden mußte, jedenfalls aus der Sicht desjenigen, der das durchzuführen hatte, dass diese Erschießungen in der Stadt Aufsehen erregten und möglicherweise zu Demonstrationen oder zu Aufruhr geführt hätten."
Eine Argumentation, die der Berliner Strafrechtler Felix Herzog empörend findet.
Prof. Felix Herzog, Strafrechtler, Humboldt-Universität:
"Dieses Argument hat mich auch sehr erschreckt. Das Argument lautet ja, es mußte schnell geschehen, es mußte heimlich geschehen, und es gab am Tatort Personalmangel. Wenn sie wollen, können eine ganze Reihe von Massenvernichtungsaktionen des NS-Regimes unter solchen Gesichtspunkten dann als möglicherweise subjektiv nicht grausam angesehen werden, weil halt die Betreffenden unter entsprechend, ich sage das mal so, das hört sich furchtbar an, schwierigen Rahmenbedingungen handeln mußten."
Egal, wie grausam die Erschiessungen waren, die Täter können ungestraft davonkommen.
Prof. Felix Herzog, Strafrechtler, Humboldt-Universität:
"Wenn man diese Linie weiter verfolgt, kommt man wirklich zu unmöglichen Ergebnissen. Man kommt hin bis hin zu dem Ergebnis, dass bestimmte Massenvernichtungsaktionen gegenüber den Juden möglicherweise keine subjektiv grausamen Taten gewesen sind, weil einfach die Betroffenen situativ gar nicht anders vorgehen konnten."
Dr. Efraim Zuroff, Simon-Wiesenthal-Zentrum:
"Es ist wirklich fraglich, ob es in Deutschland jetzt noch möglich ist, Nazi-Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen. Denn wenn die Ermordung von 59 Zivilisten kein Zeichen von Grausamkeit ist, dann weiß ich nicht, was sonst ein Zeichen für Grausamkeit sein soll."
... comment
mrs. fanta,
Sonntag, 11. Juli 2004, 13:25
hab ich auch gesehen und war anschliessend im life chat. was dort trotz moderation von sich gegeben wurde offenbarte nur zu gut die deutsche befindlichkeit.
als zu oft wurde auf die tränendrüse gedrückt, das wir ja jetzt schon lange genug über deutsche kriegsverbrechen geredet haben. nun sind die anderen dran, denn wir haben ja auch so gelitten.
wirklich gelungen fande ich auch den folgenden kommentar (zu bemrken, der chat ging über deutsche kriegsverbrecher):
"was interessiert mich was vor 60 jahren passiert ist, ich will über israel reden!"
leider finde ich das protokoll dieses abends nicht mehr, sollte eigentlich veröffentlicht werden, daher habe ich meine notizen nicht gespeichert. wirklich schade.
besonders treffend dazu, fand ich auch folgendes zitat aus dem beitrag davor, über den NPD wahlerfolg in der sächsischen schweiz:
KONTRASTE:
"Sie glauben nicht, dass 6 Millionen Juden ermordet wurden im Dritten Reich?"
Egon Weihs (NPD), Stadtrat Pirna:
"Ich war nicht dabei, wissen Sie, Sie können mir das jetzt erzählen, mir kann das irgendeiner erzählen jetzt, warum soll ich denn das glauben?"
Egon Weihs - die neue Hoffnung von Pirna.
als zu oft wurde auf die tränendrüse gedrückt, das wir ja jetzt schon lange genug über deutsche kriegsverbrechen geredet haben. nun sind die anderen dran, denn wir haben ja auch so gelitten.
wirklich gelungen fande ich auch den folgenden kommentar (zu bemrken, der chat ging über deutsche kriegsverbrecher):
"was interessiert mich was vor 60 jahren passiert ist, ich will über israel reden!"
leider finde ich das protokoll dieses abends nicht mehr, sollte eigentlich veröffentlicht werden, daher habe ich meine notizen nicht gespeichert. wirklich schade.
besonders treffend dazu, fand ich auch folgendes zitat aus dem beitrag davor, über den NPD wahlerfolg in der sächsischen schweiz:
KONTRASTE:
"Sie glauben nicht, dass 6 Millionen Juden ermordet wurden im Dritten Reich?"
Egon Weihs (NPD), Stadtrat Pirna:
"Ich war nicht dabei, wissen Sie, Sie können mir das jetzt erzählen, mir kann das irgendeiner erzählen jetzt, warum soll ich denn das glauben?"
Egon Weihs - die neue Hoffnung von Pirna.
... link
ne regrette rien,
Sonntag, 11. Juli 2004, 17:41
.
der wiesenthal mensch, efraim zuroff, ist mir vor kurzem im real life (nicht chat!) begegnet, als ich anlässlich einer ausstellung einen büchertisch betreutet. hat sich dann beschwert dass sein buch "beruf:nazijäger" nicht ausliegt, aber gleich eingestanden dass es wohl an seinem dubiosen verlag liegt. auf nachfrage kam raus, dass es sich um ahriman handelt, der dem bund gegen anpassung gehört. sehr strange. ich hab ihm dann erzählt was für verquere nach rechts offene gestalten den betreiben und ihm nochmal eine mail geschickt, worauf er nur geantwortet hat das wäre ihm egal solange sie sein buch vertickern ...
naja, ansonsten macht er auf jeden fall coole arbeit. vor kurzem kam ein tv-bericht über seine osteuropäischen "jagdgründe", da ist er in irgendwelchen ukrainischen bauerndörfern auf der suche nach altnazis herumgestapft.
naja, ansonsten macht er auf jeden fall coole arbeit. vor kurzem kam ein tv-bericht über seine osteuropäischen "jagdgründe", da ist er in irgendwelchen ukrainischen bauerndörfern auf der suche nach altnazis herumgestapft.
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beniguma,
Sonntag, 11. Juli 2004, 18:06
hier ist die autorenvorstellung vom ahriman-verlag.
sehr, sehr strange, dass zuroff da veröffentlicht.
sehr, sehr strange, dass zuroff da veröffentlicht.
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ne regrette rien,
Sonntag, 11. Juli 2004, 18:39
ja
andersrum gesehen ja auch: wieso promotet der bga zuroff? als deckmäntelchen, um bei angriffen auf ihn verweisen zu können und damit die antifaschischistische gesinnung zu belegen? vielleicht kann man denen nicht mal ein solch "vernünftiges" motiv unterstellen, díe scheinen ja total unzurechnungsfähig zu sein.
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beniguma,
Sonntag, 11. Juli 2004, 18:51
nein, ich glaube schon, dass ihnen "was am thema liegt". das ist keineswegs nur ein strategisches interesse. die frage ist, was ihnen daran liegt. eine antwort finde ich da nicht.
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kulturnation,
Dienstag, 13. Juli 2004, 22:27
Aufgehoben ist nicht...
So bestürzend die Aberkennung der Mordmerkmale ist (nicht wirklich neu bei deutschen Richtern) - die Kassierung des Hamburger Urteils dürfte nicht gleichbedeutend mit einem Freispruch sein. Vielmehr (hoffe ich) muß das LG HH noch mal verhandeln und kann so immerhin noch den Tatbestand des Totschlags heranziehen.
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beniguma,
Mittwoch, 14. Juli 2004, 02:42
kenn mich mit solchen juristischen zusammenhängen nicht aus. schön wär's. was mich so erschreckte, war das juristisch verschwurbelte einfühlungsvermögen der bundesrichter für die (logistischen) probleme, die massenmörder bei der durchführung eines massenmords haben.
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